Mittwoch, 20. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 1



Der Energiestoffwechsel des arbeitenden Muskels

Den Stoff aus dem der Muskel seine Kraft bezieht nennt man Adenosin-Triphosphat (ATP). ATP stammt aus verschiedenen Energiequellen. Im Muskel selbst ist nur wenig ATP vorhanden und dieser geringe Vorrat würde nur für wenige Kontraktionen des Muskels ausreichen. ATP kann zwar geringfügig aus der im Kreatinphosphat gespeicherten Energie gewonnen werden, der größte Teil jedoch wird im Rahmen von Stoffwechselvorgängen gewonnen.

Das im Muskel vorhandene ATP ist innerhalb von wenigen Sekunden vollständig verbraucht. Im Rahmen des Zerfallprozesses von Kreatinphosphat wird anschließend schnell ATP frei, welches aber nur für etwa 20 bis 30 Sekunden reicht. Für den Muskel beginnt eine kritische Phase in der die aerobe (sauerstoffabhängige) ATP-Bildung noch nicht in ausreichender Form funktioniert. Während dieser Zeit muss das benötigte ATP anaerob produziert werden. Bei diesem Prozess fällt allerdings in größerem Umfang Milchsäure an, wodurch der Milchsäurespiegel im Blut steigt. Dieser Anstieg führt dazu, dass das Pferd ermüdet. Es ist deshalb immens wichtig, dass eine Minute nach Beginn der Arbeit der aerobe Anteil möglichst hoch und der anaerobe möglichst niedrig ist, denn mit zunehmendem anaeroben Anteil ermüdet das Pferd immer stärker.

Man muss berücksichtigen, dass der anaerobe Glucoseabbau wenig ergiebig ist. Aus 1 Mol Glucose entstehen bei anaerobem Abbau nur 2 Mol ATP. Nach circa einer Minute nimmt die aerobe ATP-Bildung immer mehr zu und die anaerobe wird dadurch reduziert beziehungsweise vom Stoffwechsel zurückgefahren. Beim aeroben Glucoseabbau entstehen aus 1 Mol Glucose 36 bis 38 Mol ATP, das ist 18 mal mehr Energie als anaerob.

Bei der Verbrennung freier Fettsäuren werden je Mol bis zu 140 Mol ATP gebildet (abhängig von der verbrannten Fettsäure)

Aus den gemachten Ausführungen kann man leicht erkennen, dass für lang andauernde Arbeiten (Reitsport) die aerobe ATP-Produktion so groß wie möglich sein muss. Somit wird deutlich wie entscheidend die Sauerstoffaufnahme für die Funktion des Stoffwechsels ist.




Sonntag, 17. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 2



Der aerobe Stoffwechsel und die Ausdauer

Die Fähigkeit des Pferdes eine Arbeit ohne deutliche Ermüdung über längere Zeit zu erbringen ist von der Funktion des Stoffwechsels abhängig, der die notwendige Energie aerob zur Verfügung stellen muss. Doch nicht allein die Funktion des Stoffwechsels begrenzt die Einsatzfähigkeit, sondern auch die Tatsache welche und wieviele Substrate für die ATP-Bildung zur Verfügung stehen. Es müssen also zwei Dinge Hand in Hand gehen:
- Die Funktion des Stoffwechsels sowie
- Die ausreichende Menge der benötigten Substrate

Im Einzelnen sind an diesen Aufgaben folgende Faktoren beteiligt:
- Die Lungenbelüftung (Ventilation)
- Die Funktion des Gasaustausches in den Lungenalveolen
- Die Sauerstoff-Transportkapazität des Blutes (rote Blutkörperchen)
- Die Pumpfunktion des Herzens
- Die Austauschfunktion von Sauerstoff im Blut zum Muskel
- Die Sauerstoffausnutzung im Muskel selbst
- Die ausreichende Menge an Substraten zur Energiegewinnung

Die Substrate für die Energiegewinnung

Bei einer Arbeitsleistung von bis zu 60 %, bezogen auf die maximal aufgenommene Sauerstoffmenge, bleibt der Glykogengehalt der Muskulatur hoch. Die dabei auftretenden Ermüdungserscheinungen sind hauptsächlich auf Dehydration zurückzuführen. Steigt die Arbeitsbelastung auf Werte zwischen 65 und 85 % an, bezogen auf die maximal aufgenommene Sauerstoffmenge, so hängen die auftretenden Ermüdungserscheinungen sehr eng mit der Abnahme des Glykogen in der Muskulatur zusammen.
Beträgt die Arbeitsintensität 70 %, bezogen auf die maximal aufgenommene Sauerstoffmenge, so wird die benötigte Energie zuerst zu circa 60 % aus dem in der Muskulatur enthaltenen Glykogen gewonnen und die restlichen 40 % aus freien Fettsäuren. Bei länger anhaltender Arbeitsbelastung in diesem Bereich nimmt der Anteil der verwerteten freien Fettsäuren etwas zu. Wichtig ist allerdings, dass durch die Neubildung von Glucose die Blutglucosekonzentration auf einem hohen Niveau bleibt. Die erforderliche Glucoseneubildung erfolgt nach zwei bis drei Stunden Arbeit zum überwiegenden Teil aus dem Abbau von Körpereiweiß. Dieser Eiweißabbau und der Verlust von Wasser, sind die wesentliche Ursache für die Körpergewichtsabnahme bei längerer Belastung in diesem Bereich von 70 %, bezogen auf die maximal aufgenommene Sauerstoffmenge.

Samstag, 16. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 3



Die Sauerstoffaufnahme und die Atmung

Für der Arbeitsleistung eines Pferdes spielt die Atmung eine sehr wichtige Rolle. Jeder der schon einmal ein dämpfiges Pferd hatte kennt dieses Problem. Ein Pferd kann die Sauerstoffaufnahme bis zum 35fachen des Ruhevolumens steigern. Die Steigerung ist damit beim Pferd wesentlich größer als bei anderen Säugetieren (Hund, Mensch).

Es bedarf wohl keiner besonderen Erklärung, dass damit einhergehend auch die Atemfrequenz des Pferdes ansteigt. Die Steigerung der Atemfrequenz ist beim Pferd mit der Schrittfrquenz gekoppelt. Do geht beispielsweise die Atemfrequenz im Galopp im Verhältnis 1:1 mit der Galoppfrequenz einher. Einem galoppierenden Pferd ist deshalb die Atemfrequenz durch die Sprungfrequenzmaufgezwungen. Daraus ergibt sich für das galoppierende Pferd eine relativ hohe Atemfrequenz und eine dadurch bedingte, flachere Atmung.

Die Bewegungen beim Galopp erleichtern dem Pferd vermutlich die Atmung, denn durch die Körperstreckung ist die Inspiration (Einatmung) verbessert und andererseits wird durch das Andrücken der Vorderbeine in der Landephase die Exspiration (Ausatmung) unterstützt. Leidet ein Pferd an Erkrankungen der Atemwege so kann das 1:1 Verhältnis zwischen Atmung und Fußung deutlich in den ungünstigen Bereich verändert werden.

Auch Traber zeigen bei Arbeitsbelastung unter dem Maximalpunkt eine 1:1 Synchronisation zwischen Fußung und Atmung. Bei maximaler Arbeitsbelastung kann sich dies aber deutlich verändern und es kommt zu Verhältnissen von bis zu 1:3. Dies macht dem Trabrennpferd bei maximaler Arbeit eine tiefe Einatmung von bis zu 25 Litern möglich. Traber haben deshalb bei hohen Laufgeschwindigkeiten eine wesentlich niedrigere Atemfrequenz und eine tiefere Inspiration als Galopper.

Atemfrequenz und Schrittfolge sind beim Pferd also weitgehend festgelegt. Dadurch wird die Sauerstoffaufnahme durch die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen bestimmt. Allerdings wird die maximal mögliche Atemzugvolumenkapazität durch die hohe Atemfrequenz selten genutzt.

Der Unterschied zwischen Ruhe- und Belastungsumsatz ist beim Pferd sehr groß (bei großen Tieren allgemein). Dies bedeutet, dass einem großen Tier bei Belastung mehr Sauerstoff für die arbeitende Muskulatur zur Verfügung steht. Eine kleine Ratte beispielsweise kann bei starker Belastung den Sauerstoffverbrauch gegenüber dem Ruhewert um das Vierfache, ein Hund um das Zehnfache und ein Mensch um das 20fache steigern. Das Pferd jedoch schlägt hier alle um Längen, denn es kann seinen Sauerstoffverbrauch um das bis zu 35fache steigern.

Durch diese enorme Steigerung steht den großen Tieren bei Arbeitsleistung viel von dem aufgenommenen Sauerstoff für die Muskelarbeit zur Verfügung. Damit wird auch verständlich weshalb große Tiere 1 g Körpergewicht über die Entfernung von 1 km viel ökonomischer befördern können als kleine Tiere.
Ein Pferd befördert 1 g Körpergewicht 93 mal effizienter als eine Maus. Es ist bis jetzt noch nicht geklärt wie weit die Kraft der Atemmuskulatur beim Pferd die schnelle Bewegung der großen Gasmengen beschränkt. Es lässt sich bis heute auch noch nicht sicher beantworten ob sich bei gesunden Pferden die Sauerstoffaufnahme in der Lunge leistungsbegrenzend für schwere Arbeiten auswirkt. Untersuchungen lassen jedoch die Vermutung zu, dass als Leistungsbegrenzung eher die Pumpleistung des Herzens, die Sauerstofftransportkapazität des Blutes sowie die Sauerstoffausnutzung in der Peripherie in Frage kommen. Es gibt aber auch andere Meinungen welche dazu tendieren, dass ein Pferd möglicherweise eher in der Lage ist die Herz-Kreislauf-Funktion als den Gasaustausch zu erhöhen.

Die Laufgeschwindigkeit eines Pferdes ist ein guter Parameter für die Intensität der Arbeitsbelastung. Die Sauerstoffaufnahme nimmt mit steigender Laufgeschwindigkeit linear zu. Der Wirkungsgrad ist bei verschiedenen Laufgeschwindigkeiten jedoch, innerhalb der Gangarten, nicht gleich. Im Schritt, Trab und wahrscheinlich auch im Galopp nimmt der Wirkungsgrad der Arbeit zuerst mit zunehmender Laufgeschwindigkeit ab, erreicht dann ein Minimum, um daraufhin erneut anzusteigen. Überlässt man dem Pferd die Auswahl der Laufgeschwindigkeit, so bevorzugt es eine Geschwindigkeit in der ein besonders günstiger Wirkungsgrad erzielt wird.

Dienstag, 12. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 4



Der Herzschlag (Frequenz) und die Herzleistung

Die Herzschlagfrequenz des Pferdes liegt im Ruhezustand bei 30 bis 40 Schlägen pro Minute. Bei maximaler Arbeit kann sich die Herschlagfrequenz auf bis zu 240 Schläge pro Minute steigern. Nach beginnender Arbeit steigt die Herzschlagfrequenz schnell an. Bei starker Belastung kann man bei vielen Pferden eine zuerst häufig überschießende Herztätigkeit beobachten, welche aber nur kurzfristig anhält und nach 30 bis 45 Sekunden wieder auf einen gleichbleibenden Wert absinkt (bei gleichbleibender Arbeit). Man spricht in diesem Zusammenhang vom so genannten "Plateauwert".

Da bei Sportpferden sowohl die Sauerstoffaufnahme als auch die geleistete Arbeit nicht exakt gemessen werden können hat man sich, als einem brauchbaren Parameter, auf die Laufgeschwindigkeit des Pferdes festgelegt.
Nach Ende einer körperlichen Arbeit sinkt die Herzschlagfrequenz in den ersten 60 Sekunden sehr schnell ab, um danach zunehmend langsamer abzusinken. Je größer dabei die Sauerstoffschuld ist, desto langsamer sinkt die Herzschlagfrequenz auf ihre Ausgangswerte ab.

Auf das Absinken der Herzschlagfrequenz haben neben der Belastungsintensität und dem Trainingszustand noch weitere Faktoren Einfluss:
- Die Lufttemperatur
- Die Luftfeuchtigkeit
- Die Windgeschwindigkeit
- Die Erregung des Pferdes

Aus diesem Grunde kann man zur Beurteilung von Ausdauer und Leistungsfähigkeit eines Pferdes nicht alleine die Abnahme der Herzschlagfrequenz heranziehen.

Mit steigender Herzschlagfrequenz nimmt die Dauer der Diastole (Erschlaffungs- und Füllphase des Herzens) wesentlich stärker ab als die Dauer der Systole (Pump- und Kontraktionsphase des Herzens). Bei zunehmder Herzfrequenz wird somit die Erholungszeit (Diastole) des Herzmuskels, im Verhältnis zur Systole, immer geringer. Bei einer Herzschlagfrequenz von 230 muss innerhalb einer Diastolenphase, mit einer Dauer von nur 0,06 bis 0,07 Sekunden, die Menge von circa 1 Liter Blut in jede Herzkammer fließen. Wie dann der aufgenommene Sauerstoff im Körper des Pferdes verteilt wird hängt von der Pumpleistung (Systole) des Herzens und der Sauerstofftransportkapazität des Blutes ab. Die Erhöhung des Herzminutenvolumens (die Blutmenge, welche innerhalb einer Minute vom Herz gepumpt wird) ist im Wesentlichen von der Herzschlagfrequenz abhängig. Das Volumen, das bei einem einzigen Herzschlag vorhanden ist (Herzschlagvolumen), ändert sich auch bei steigender Herzschlagfrequenz kaum. Das Herzminutenvolumen kann bei Arbeitsleistung auf fast das Zehnfache gegenüber der Ruhephase ansteigen.

Die bis zu 35fache Erhöhung der Sauerstoffaufnahme kann mit dem gesteigerten Herzminutenvolumen, der erhöhten Sauerstofftransportkapazität des Blutes, der besseren Muskeldurchblutung und einer größeren Sauerstoffausnutzung im arbeitenden Muskel selbst erklärt werden. Das Pferd kann durch Abruf der, in der Milz gespeicherten, Erythrozyten die Hämoglobinkonzentration um bis zu 60 % erhöhen. Dadurch kann auch 60 % mehr Sauerstoff im Blut transportiert werden.

Eine weitere Anpassung an die Arbeitssituation erfolgt durch die stark erhöhte Muskeldurchblutung und die höhere Sauerstoffausnutzung. Die Muskeldurchblutung wird beim arbeitenden Pferd bis fast zum 80fachen erhöht. Diese hohe Durchblutung wird durch das starke Absinken des pH-Wertes in der arbeitenden Muskulatur erreicht, was zur Folge hat, dass sich der periphere Widerstand senkt. Diese niedrigen pH-Werte bei gleichzeitig höher werdender Temperatur im arbeitenden Muskel erleichtern die Sauerstoff-Freisetzung aus dem Hämoglobin. Dadurch erlaubt dieser Mechanismus (Bohr-Effekt) eine schnelle und effiziente Ausnutzung des Sauerstoffs in den Kapillaren der Muskulatur. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser Effekt bei Pferden höher ist als bei den meisten anderen Tieren.

Sonntag, 10. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 5



Das Aufwärmen des Pferdes vor der Arbeit

Aus den bisher gemachten Ausführungen wird deutlich ersichtlich wie wichtig die verbesserte Sauerstoffausnutzung und der dadurch verbesserte aerobe Stoffwechsel für das Pferd sind. Die Auswirkungen einer guten  und gründlichen Aufwärmphase des Pferdes, vor jeglicher Belastung, sind daher offensichtlich.

Der anaerobe Stoffwechsel, die Sprintleistung und die Ermüdung

Über den anaeroben Stoffwechsel des Pferdes sind bis dato nur geringe Daten bekannt. Wie wir bisher bereits gesehen haben reicht das im Muskel vorhandene ATP nur für wenige Muskelkontrktionen aus. Bei allen kurzzeitigen Belastungen sind das Kreatinphosphat und die anaerobe Glykolyse wichtig. Erst bei länger andauernder Belastung nimmt die Gewichtung des aeroben Stoffwechsels an Bedeutung zu.
Das Pferd gewinnt also das benötigte ATP, in Abhängigkeit von der Belastungsdauer und der Belastungsstärke,  zum größten Teil entweder aus dem anaeroben oder dem aeroben Stoffwechsel.

Eine Sonderstellung, im Bereich des anaeroben Stoffwechsels, nimmt hier das Quarter Horse ein. Die englischen Auswanderer, die sich damals als Siedler in Nordamerika niederließen, brachten ihre Leidenschaft für das Pferderennen mit nach Amerika. Da jedoch weder ausreichend finanzielle Mittel noch genügend Zeit zur Verfügung standen, um gepflegte Rennbahnen anzulegen, wurden einfach die Hauptstraßen der jeweiligen Ortschaften als Rennstrecken benutzt. Diese Rennen erstreckten sich grundsätzlich über die Distanz von einer viertel Meile. Von der gebräuchlichen Bezeichnung dieser Rennen, "a quarter of a mile", erhielt das Quarter Horse auch seinen Namen. In Folge dieser Rennen fand eine automatische Selektion der Pferde statt, welche Antritt und Schnelligkeit dieser kurzen Distanz besonders gut bewältigten. Im Rahmen der Zuchtselektion kristallisierte sich ein Pferd heraus, dass auf kurzen Strecken selbst dem englischen Vollblut konkurriert. Über eine Distanz von 400 Meter erreicht ein Quarter Horse eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 1200 Meter in der Minute, was einer Geschwindigkeit von 72 km/h entspricht.

Man hat herausgefunden, dass das ATP beim Quarter Horse für diese 400 Meter zu 80 % aus dem Kreatinphosphat, zu 18 % aus dem anaeroben Glukoseabbau und nur zu 2 % aus dem aeroben Stoffwechsel gewonnen wird.

Vergleicht man diese Werte mit den Werten während eines Derbyrennens (2400 m), wofür die Pferde circa zwei Minuten benötigen, so stellt man fest, dass bei diesen Pferden das ATP nur noch zu 5 % aus Kreatinphosphat, zu 70 % aus dem anaeroben Glukoseabbau und zu 25 % aus dem aeroben Stoffwechsel gewonnen wird.

Mit der Belastungsdauer nimmt also der aerobe Anteil der ATP-Gewinnung signifikant zu. Bei Vielseitigkeitsprüfungen mit ihren wechselnden Belastungphasen liegt dieser Anteil bei etwa 50 % und bei Distanzritten steigt der aerobe Anteil der ATP-Gewinnung sogar auf bis zu 95 %.

Aus den bisherigen Ausführungen wird klar ersichtlich, welch erhebliche Rolle es spielt, dass die Pferde im Hinblick auf ihre Verwendung ein jeweils spezifisches Training benötigen und eine Vorselektion auf bestimmte Merkmale bezüglich der Rasse als auch innerhalb einer Rasse zwingend notwendig ist.

Zur genauen Beurteilung der anaeroben Leistungsfähigkeit eines Pferdes sind die jeweils vorhandenen Muskelfasertypen, die wichtigen Enzyme für den anaeroben Stoffwechsel sowie der Milchsäureanstieg, bei genau definierter Belastung, von großer Bedeutung.

Samstag, 9. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 6



Die Muskelfasertypen

Die Muskelkontraktionen erfolgen bekanntlich durch das Zusammenziehen der einzelnen Muskelfasern. Man unterscheidet hier im Allgeminen drei verschiedene Muskelfasertypen:

- Langsam kontrahierende Muskelfasern, die nur sehr langsam ermüden (ST oder Typ I)
- Schnell kontrahierende Muskelfaser, welche auch schnell ermüden (FT oder Typ II B)
- Einen oder mehrere Übergangstypen von Muskelfasern (FTH oder Typ II A)

Der Großteil der Muskulatur des Pferdes setzt sich aus diesen drei genannten Muskelfasertypen zusammen, wobei die einzelnen Anteile der jeweiligen Fasertypen nach Art und Aufgabe des Muskels variieren. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Verteilung der jeweiligen Muskelfasertypen, innerhalb eines Muskels, stark durch die Genetik beeinflusst wird. In der heutigen Pferdezucht ist man daher bemüht durch Untersuchungen herauszufinden, für welche Belastungsform ein Pferd, aufgrund seiner Muskelstruktur, am Besten geeignet ist. Überwiegt also die schnell kontrahierende Muskelstruktur bei einem Pferd, so wird es sich besser für kurze Belastungen (Sprinter) eignen und umgekehrt, bei vorwiegend langsam kontrahierender Muskelstruktur, für Ausdauerbelastungen (Vielseitigkeit, Distanz). Diese Forschungsergebnisse stecken allerdings noch in den Kinderschuhen.

Hier eine kleine Übersicht der prozentualen Anteile von schnell kontrahierender und somit schnell ermüdender Muskelfasern im M. gluteus medius verschiedener Pferde.

Quarter Horse .......... 93 %
Vollblut....................... 87 %
Warmblut .................. 82 %
Distanz-Pferde .........72 %
Schwere Hunter ....... 69 %

Die Milschsäurekonzentration im Blut und die Ermüdung

Wenn der Körper des Pferdes die benötigte Energie für die jeweils geforderte Muskeltätigkeit über den aeroben Stoffwechsel decken kann, so wird keine nennenswerte Ermüdung des Muskels auftreten. Bei hohen, kurzzeitigen Belastungen jedoch wird der Muskel versuchen die benötigte Energie anaerob zu gewinnen. Als Anzeichen der auftretenden Ermüdung kann die Laktatkonzentration im Blut gewertet werden. Je höher diese Laktatkonzentration im Blut, desto stärker der Ermüdungsgrad.

Untersuchungen in diesem Bereich ergaben, dass bei Pferden, ab einer Laufgeschwindigkeit von über 330 Metern pro Minute beziehungsweise, bei Herzschlagfrequenzen von über 150 Schlägen pro Minute, die Laktakonzentration im Blut ansteigt. In diesem Bereich liegt auch die Ausdauerleistungsgrenze des Pferdes. Mit zunehmender Laufgeschwindigkeit und damit vermehrtem anaeroben Stoffwechsel steigt die Laktatkonzentration im Blut schnell an. Die Blutlaktatkonzentration eines Pferdes ist somit bei starker Belastung um bis zu 50 mal höher als im Ruhezustand. Es wurden bei Pferden Blutlaktatkonzentrationen von bis zu 30 mmol je Liter Blutplasma gemessen, was auf eine sehr gute Sprintveranlagung des Pferdes, im Vergleich zu anderen Säugern, hinweist.


Freitag, 8. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 7



Thermoregulation und Schweißsekretion

Bei den meisten Säugern wird die Temperatur im Körperinneren durch körpereigene Regulationsmechanismen in einem sehr engen Bereich konstant gehalten. Beim Pferd zeigt diese Thermoregulation, dass es eher für die Bewältigung von Kurzstrecken konzipiert ist. Bei länger andauernder Belastung ist der Körper gezwungen große Wärmemengen abzugeben. Wie bereits bei der Sauerstoffaufnahme erwähnt, verbrennt das Pferd bis zu 60 Liter Sauerstoff pro Minute. Bei einer Belastung über die Dauer von zwei Minuten hat dies eine Wärmeproduktion von circa 620 Kalorien zur Folge. Deshalb ist eine schnelle Wärmeabgabe, während und nach der Arbeit, für das Überleben des Pferdes eine unbedingte Voraussetzung. Die wichtigste Form der Wärmeabgabe ist die Verdunstung über den produzierten Schweiß des Pferdes. Bei einer kurzzeitigen Belastung stellt dies kein nennenswertes Problem dar. Bei einer länger andauernden Belastung jedoch, wie beispielsweise einem Distanzritt über 80 km, wurde für ein 500 kg schwerers Pferd eine Schweißproduktion von 37 Litern berechnet.

Dieser Kühlungseffekt beim Schwitzen ist von einigen Faktoren abhängig:

- Der Umgebungstemperatur
- Der Luftfeuchtigkeit
- Der Luftbewegung

Bei warmem aber trockenem Klima mit guter Luftbewegung sind die Voraussetzungen für die Kühlung günstig. Bei hoher Luftfeuchtigkeit mit geringer Luftbewegung jedoch (z.B. im Stall) verdunstet oft nur ein Drittel des Schweißes, während die anderen zwei Drittel des Schweißes, ohne zu verdunsten, einfach an der Haut abfließen, was die Abgabe der Wärme stark begrenzt und dadurch zu einem Hitzestau führen kann.

Nach starken Belastungen kann man bei Pferden nicht selten eine rektale Temperatur von über 41° C messen. In der arbeitenden Muskulatur hat man sogar schon Temperaturen von bis zu 43° C gemessen. Kann das Pferd die übermäßig vorhandene Wärme nicht schnellstens abgeben so kann dies nach einer starken Belastung sehr schnell zu einem Hitzekollaps führen.

Aus diesem Grunde sollte man auch in den Hochsommermonaten die Pferde nicht in der größten Mittagshitze arbeiten, besonders nicht bei hoher Luftfeuchtigkeit. Man verlege deshalb die Arbeitszeiten auf den Vormittag oder den Abend. Das Trockenführen ergibt nach diesen Ausführungen ebenfalls mehr als Sinn und man sollte das Pferd niemals heißgeschwitzt abrupt in der Box abstellen.

Der Flüssigkeitsverlust, welcher durch das Schwitzen entsteht, kann ebenfalls sehr erheblich sein. Bei Distanzritten beispielsweise kann ein Pferd durchschnittlich sieben bis acht Liter Schweiß in der Stunde absondern. Innerhalb von fünf Stunden verliert das Pferd auf diese Weise durch das Schwitzen circa 5 % seines Körpergewichts. Bei sehr hohen Laufgeschwindigkeiten in heißem Klima kann sich die Schweißabsonderung sogar auf bis zu 15 Liter in der Stunde erhöhen.

Bei lang anhaltender Belastung ist es deshalb für das Pferd eklatant wichtig genügend Wasser aufzunehmen. Da Pferde aber vielfach nicht spontan Wasser aufnehmen möchten empfiehlt es sich, das Pferd bereits während des Trainigs an kurze Pausen zu gewöhnen, während denen es getränkt wird.

Auch der Elektrolytverlust durch das Schwitzen, nach starken und andauernden Belastungen, kann ein erhebliches Maß aufweisen und macht es notwendig die verloren gegangenen Elektrolyte unbedingt wieder zu ersetzen.


Mittwoch, 6. Juni 2012

Die Leistungsphysiologie des Sportpferdes Teil 8



Hämoglobinkonzentration und Sauerstoffkapazität

Es gilt als bekannte Tatsache, dass bei Pferden durch Training und Belastung die Ausschüttungsfähigkeit der Milz gesteigert wird (Erythrozytenausschüttung). Nach starker Belastung ist bei einem trainierten, gegenüber einem untrainierten Pferd, die Hämoglobinkonzentration und somit die Sauerstofftransportkapazität des Blutes erhöht. Bereits durch mittleres Trainig erreicht die Hämoglobinkonzentration den so genannten Plateauwert. Ein darüber hinausgehendes Training kat keinen weiteren Anstieg mehr zur Folge. Diese Begrenzung ist jedoch im Sinne einer guten Durchblutung durchaus sinnvoll, da eine zu hohe Erythrozytenkonzentration im Blut zu einer höheren Blutviskosität (Zähflüssigkeit des Blutes) führt und damit zu einer Erhöhung des peripheren Widerstandes.

Das Hämoglobin und der Sauerstofftransport

Das Hämoglobin, ein Chromoprotein, ist der Hauptbestandteil der Erythrozytentrockenmasse. Es besteht aus einer Farbstoffkomponente, dem Hämoglobin und aus einem Eiweißanteil. Im Hämoglobin befindet sich Eisen als Zentralatom, an welches druckdissoziabel Sauerstoff gebunden wird. Dies bedeutet, dass zwischen der Menge an gebundenem Sauerstoff und dem Sauerstoffpartialdruck ein Zusammenhang besteht. Bei einem hohen pO2 wird deshalb viel und bei einem niedrigen pO2 wird wenig Sauerstoff gebunden.

Dieser Sauerstoff muss aus den Alveolen (Lungenbläschen) in das Blut der Lungenkapillaren hindurch-diffundieren, um durch die Erythrozytenmembran zum Hämoglobin zu gelangen. Beim Pferd ist der Sauerstoffgehalt in den Alveolen meist ausreichend groß, um pro Zeiteinheit genügend Sauerstoff zu diffundieren und damit im Blut die Vollsättigung des Hämoglobins zu erreichen. Dabei bindet 1 g Hb maximal 1,34 ml Sauerstoff (Hüfner-Zahl). Je nach Rasse liegt der Hämoglobingehalt des Pferdes bei Vollblütern bei circa 150 g/l  und bei Warmblütern bei circa 120 g/l. Durch venöse Beimischungen von "Shuntblut" im Lungenkreislauf, liegt die maximale Stättigung des Blutes mit Sauerstoff knapp unter 100 %.

Das Hämoglobin ist das wichtigste respiratorische Pigment der Wirbeltiere (Vertebraten). Es besteht aus vier Globinuntereinheiten mit jeweils einer Hämgruppe. Jedes einzelne Hämoglobinmolekül kann sich mit vier Sauerstoffmolekülen verbinden, wobei jedes Häm ein Molekül Sauerstoff bindet. Sind alle Stellen des Hämoglobinmoleküls mit Sauerstoff besetzt, so spricht man von der 100 %igen Sauerstoffsättigung des Blutes. Ein mmol Häm kann dabei ein mmol Sauerstoff binden, was einem Volumen von 22,4 ml entspricht. Beispielsweise enthält das menschliche Blut circa 0,9 mmol Häm je 100 ml Blut. Demnach beträgt die Sauerstoffkapazität des Blutes 0,9 mal 22,4 = 20,2 ml O2/ml Blut beziehungsweise 20,2 Volumenprozent. Da die Sauerstoffaufnahmekapazität proportional zur Hämoglobinkonzentration zunimmt wird der Sauerstoffgehalt in Prozent der Sauerstoffkapazität, das heißt, als prozentuale Sättigung, angegeben. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich von Blut mit unterschiedlichem Hömoglobingehalt.

Die Sauerstoffdissoziationskurven des Myoglobins und des Neunaugenhämoglobins sind hyperbolisch. Die Hämoglobin-Sauerstoff-Dissoziationskurve anderer Vertebraten verläuft hingegen sigmoidal. Diese Unterschiede lassen sich darauf zurück führen, dass das Myoglobin ebenso wie das Neunaugenhämoglobin als Globinmonomere mit nur einer Hämgruppe vorliegen. Im Gegensatz dazu sind die anderen Hämoglobine aus vier Proteinuntereinheiten mit je einer Hämgruppe aufgebaut. Der sigmoidale Kurvenverlauf der tetrameren Hämoglobine kann durch die Kooperation von Untereinheiten erklärt werden, da die Sauerstoffanlagerung an die erste Hämgruppe die Sauerstoffanlagerung an die anderen Gruppen erleichtert. Der steile Abschnitt der Kurve korrespondiert mit Sauerstoffkonzentrationen, bei denen zumindest eine Hämgruppe von einem Sauerstoffmolekül besetzt ist, wodurch die Affinität der übrigen Hämgruppen für Sauerstoff erhöht wird. Die Oxygenierung eines Hämoglobinmoleküls geht mit einer Konformationsänderung des Globins aus dem angespannten Zustand T (tense state) in den Ruhezustand R (relaxed state) einher. Des Weiteren ist die Oxygenierung mit Änderungen der Tertiärstruktur des Moleküls in der Nähe der Hämgruppen verbunden, welche allosterisch auf die Kontaktregionen der α1β1- und α2β2-Dimere übertragen werden und die Wechselwirkungen zwischen diesen entweder schwächen oder stärken. Dies wiederum führt dann zu einer großen Veränderung in der Quartärstruktur vom T- zum R-Zustand. Diese Konformationsänderung zieht auch Änderungen im Dissoziationsgrad saurer Seitenketten nach sich und bei der Sauerstoffaufnahme werden Protonen abgegeben. Das Hämoglobin wird dadurch zur Säure!

Wie eingangs bereits erwähnt entsteht bei Belastung eine vermehrte Freisetzung von Erythrozyten aus der Milz. Bei diesem Vorgang steigt der Hämoglobingehalt des Blutes auf 200 bis 230 g/l an. Im Zuge dieser Entspeicherung wird also die Sauerstoffkapazität des Blutes immens erhöht.
Bei Belastung wird also nicht nur vermehrt Sauerstoff zur entsprechenden Muskulatur befördert, er wird dort auch leichter wieder abgegeben, da bei der Arbeitsazidose auch die Sauerstoffaffinität des Hämoglobins sinkt. Dieser Vorgang wird als "Bohr-Effekt" bezeichnet und durch die gleichzeitig auftretende Arbeitshyperthermie zusätzlich unterstützt, da der Anstieg der Körpertemperatur die Sauerstoffaffinität des Blutes ebenfalls verringert.

Das Hämoglobin ist zudem in der Lage Protonen abzupuffern, da der Imidazolring des Histidinanteils des Globins Wasserstoffionen binden kann und dadurch ein Großteil des Puffervermögens des Blutes durch das Hämoglobin bewirkt wird. Bei starken Kurzzeitbelastungen ist dies von großer Bedeutung, da hier sehr viele Protonen anfallen. Wenn das Blut das Gewebe durchströmt, in welchem das oxygenierte Hämoglobin einen Teil des Sauerstoffs abgibt, verliert es dadurch an Azidität und kann somit zusätzlich Protonen aufnehmen.

Diese Entspeicherung der Milz birgt aber neben der erhöhten Sauerstoffkapazität des Blutes auch eine erhöhte Belastung für das Pferd in sich, da es durch die negative Beeinflussung der Strömeigenschaften des Blutes zu einer Zunahme der Viskosität des Blutes führt. Dies wirkt sich besonders in den Blutgefäßen mit großem Durchmesser negativ aus. Das Herz wird dadurch neben der bereits erhöhten Schlagfrequenz, durch einen erhöhten Druck zusätzlich belastet.

In den Blutgefäßen mit geringem Durchmesser, wie beispielsweise den Arteriolen und Kapillaren, verhält sich das Blut durch den "Fähraeus-Lindqvist-Effekt" völlig anders als in den weitlumigen Gefäßen. Die Erythrozyten nehmen durch ihre Fluidität (Verformbarkeit) in engen Gefäßen eine tropfenförmige Gestalt an. Da die Membran der Erythrozyten nicht starr ist, passt sie sich dem Zellinhalt an und kann sich um den Zellinhalt herum bewegen, was bewirkt, dass sich die Erys zur Mitte des Gefäßes hin sammeln und eine, von einem Plasmamantel umgebene, Zellschlange bilden, wodurch die Viskosität stark herabgesetzt wird und dadurch günstige Fließeigenschaften entstehen.